Die Zensur ist weg! Barks ist wieder Barks!

Begonnen von Coolwater, 1. Nov. 2022, 17:01:26

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Coolwater

Die Nachricht schlägt ein wie eine Bombe: Der US-Verlag Fantagraphics hat in seiner laufenden Barks-Gesamtausgabe die Bände 21 (Christmas in Duckburg) und 23 (Under the Polar Ice) in einem Schuber neu aufgelegt. Die Textzensuren der Erstauflage von 2019 und 2020 sind aufgehoben. Wörter wie \"violent\", \"Indian war chief\", \"paleface\", \"shanghaied\", sogar \"holocaust\" erscheinen in den Sprechblasen wieder, wie Barks sie schrieb. Im Inhaltsverzeichnis der Bände gibt es eine neue Erklärung, wonach die \"Geschichten\" Darstellungen enthalten, die falsch waren und sind, doch man verzichte darauf, sie zu tilgen.

In der Carl-Barks-Gruppe im Fressenbuch hat ein Mitglied, das den Schuber erworben hat, einen ausführlichen Beitrag dazu verfaßt und um Lichtbilder aus den neuaufgelegten Büchern bereichert.

Hoffnung keimt auf, daß nun auch in deutschen Barksausgaben – vor allem in der in wenigen Tagen anlaufenden deutschen Ausgabe der Fantagraphics-Reihe – mit den Fuchstexten kein Schindluder mehr getrieben wird. Freilich: Eine keimende Hoffnung kann leicht zertreten werden. Noch ist nicht die Zeit, Sektkorken ploppen zu lassen.

Warum die Zensur-Schubumkehr bei Fantagraphics? Ging ein neues Gebot von Disney aus, daß alle Welt nicht mehr zensieren möge? Oder ist keine neue Allgemeinverfügung, und die Fantagraphiker konnten nur erwirken, daß für ihre Barks-Werkausgabe keine Zensur mehr gilt? Gewiß taten sie dazu, was ihnen möglich war, sind doch Gary Groth und Freunde Barks-Liebhaber. Ist bei denen, die bei Egmont-Ehapa mit den Barksausgaben betraut sind, einer, der gleichermaßen Herzblut für einen ursprungsgetreuen Barksfuchs hat und für ihn bei Disney kämpft?

Am 10. November erscheint der erste Band der neuen deutschen Barks-Werkausgabe: https://www.egmont-shop.de/onkel-dagobert-und-donald-duck-von-carl-barks-5-die-mutprobe/ Es ist schon eins nach zwölf.

Kassenwart

Vielleicht sollte mal jemand Ehapa/Egmont darauf hinweisen...

Theodora Tuschel

Bin sehr sehr sehr gespannt! Kaltes Wasser hat recht: Es ist zu früh, den Sekt kaltzustellen. Aber wie wir Lateiner sagen: contra spem sperare.

Coolwater

Der erste Band der neuen deutschen Barks-Werkreihe ist zweifellos bereits gedruckt, vielleicht auch schon der zweite.

Möglich, daß bis zur Stunde Ehapa von Disney noch keine Kunde von einer Lockerung der Zensurherrschaft erhalten hat. Ich empfehle jedem, der sich diese Reihe anschaffen will, aber zugleich auf einen sauberen Fuchstext Wert legt, die Bände erst einmal tapfer im Laden liegen zu lassen, wenn wir diesmal keinen anständigen Fuchs aufgetischt bekommen. Wie das Beispiel Fantagraphics zeigt, ist es keine übermenschliche Tat, die eines Verlages Kraft überstiege, eine zensurbefreite Neuauflage vorzulegen, wenn dafür in der Zwischenzeit der Rechteherr grünes Licht gegeben hat. Und mir will nicht einleuchten, daß für eine Barks-Werkausgabe Disney im eigenen Land Fantagraphics die Kette abnimmt, derweil in Europa die Verlage weiter an ihr hängen sollen.

Theodora Tuschel

Genau. Die Zensur bei Egmont Ehapa erfolgt(e) sehr wahrscheinlich auf Anweisung durch das Mutterhaus in Burbank. Für die (aus meiner Sicht ziemlich verlogene) Bemühung um politische und gesellschaftliche Korrektizität wird The Walt Disney Company dafür bei Fox News als untragbar \"links\" gescholten: https://www.foxnews.com/lifestyle/woke-disney-10-families-disney-left-leaning-politics. Tja - gar nicht einfach, sich heutzutage im Mediendschungel zurechtzufinden und dabei richtig Kohle zu machen.

Coolwater

Die Grundkrux ist wohl, daß bei denen, die bei Ehapa für die Barks-Werkreihen verantwortlich waren und sind, nie einer gewesen ist, der sich Barks und Fuchs mit Leib und Seele verschrieben hat. Drum die Kette an Ärgernissen von Ausgabe zu Ausgabe. Fuchstext-\"Überarbeitungen\" sind für uns Tempelschändung, dem, der Barksens und Fuchsens Entenhausen nicht rettungslos verfallen ist, sind sie kein großes Ding, worüber zu streiten sich lohnte. Den Barks hier, die Fuchs da für den \"heutigen Leser\" zurechtzustriegeln – \"Kleinigkeit\". Dahinter ist kein böser Wille. Es fehlt nur der Feuereifer.

Das Gegenbeispiel ist Schweden, wo mit Joakim Gunnarsson und Germund von Wowern zwei ausgesprochene Kenner und Liebhaber von Barksens Werk unmittelbar an den Egmont-Schalthebeln sitzen. Ein Gegenbeispiel ist bei Ehapa auch Don Rosa, wo Jano Rohleder gewährleistet, daß jeder Farbtupfer im Rosawerk im Sinne Rosas ist. Eine Barks-Fuchs-Betreuung von gleicher Güte ist bei Ehapa nicht zu erkennen.

Bei der Barks Library hatten sich ja bald Donaldisten (Grote, Eiden) eingebracht, damit was Anständiges \"hinten rauskommt\". Das ist schon mal gut, bürgt aber noch nicht für eine Eins mit Stern fürs Endergebnis. Die Entscheidung für Fuchs I in der Barks Library ist vielfach mißbilligt worden, außerdem sind in der Barks Library mehr Rechtschreibfehler, als die Polizei erlaubt. Die Carl Barks Collection ist wahrscheinlich auch deswegen so gelungen, weil als Egmont-Gemeinschaftsunternehmen dabei so viele Barks-Kenner mitmischten. Da kann man einander beäugen, die Stierscheiße des anderen ausbügeln und bei Streitfragen die für alle annehmbarste Lösung finden.

Coolwater

Der Sekt bleibt zugekorkt. Im Fressenbuch hat ein Gruppenmitglied festgestellt, daß in der Neuauflage von Christmas in Duckburg plötzlich der Dumbobericht fehlt, der im Erstdruck noch enthalten ist. Erklärung: Darin taucht Gevatter Fuchs auf, und Disney hat über \"Br\'er Fox\", \"Br\'er Rabbit\" und \"Br\'er Bear\" einen vollständigen Bann gesprochen, da diese Gestalten auf Klischeebildern von Schwarzen in den Südstaaten gegründet seien.

Ein Gruppenmitglied wehklagt: Seriously, couldn\'t they have made ONE exception for the Br\'er Rabbit characters in a collector\'s edition of the greatest writer and artist ever to work on the Disney ducks?

Nö.

Coolwater

Im Fressenbuch hat Don Rosa mitgeteilt, er habe von einem der Verlage, bei denen seine Geschichten erscheinen, jüngst diese Nachricht erhalten:

As part of its ongoing commitment to diversity and inclusion, The Walt Disney Company is in the process of reviewing their library of stories.
As a result of this, some stories that do not align with their values will no longer be published. This applies to two of your classic stories, "The Richest Duck in the World" and "The Dream of a Lifetime". These stories will not be part of any reprints or new collections.


Für die des Englischen und des Rosawerks Unkundigen: Von Disney ging ein Gebot aus, daß die Rosa-Geschichten Der gewissenlose Geschäftsmann aus Entenhausen und Lebensträume nicht mehr gedruckt würden. Offensichtlicher Grund: In diesen Geschichten läßt Rosa Bombie, den Zombie, auftreten. Was die Zense besonders ungehörig erscheinen läßt: Der gewissenlose Geschäftsmann aus Entenhausen bildet den elften Teil von Rosas großer Dagobert-Erzählung Sein Leben, seine Milliarden. Tatsächlich ist jetzt über diese Geschichte als Ganzes ein Bann gesprochen, da sie nicht sinnvoll mit einer Lücke veröffentlicht werden kann.

Denke kein Donaldist; \"Wat geiht meck dat an!\", da er nur den Barks kennt und ihm der Rosa einerlei ist. Betont sei\'s: Offensichtlich hieb Disney mit der Zense, weil Rosa eine Gestalt aus dem wirklich seienden Entenhausen der Barksschen Überlieferung auftreten ließ. Und überhaupt: Glaube keiner, Disney schwinge munter die Zense gegen den Rosa, doch wage es nicht, den Barks anzutasten.

Die Sektkorken können fliegen. Hier helfen keine Gebete mehr, hier hilft nur der Geist.

Beppo

Wie ich aus einem privaten Gespräch weiß, gibt es in der Causa Bombie noch einen zweiten Aspekt neben dem Rassismus: Wudu ist eine Religion und Religionen sind für Disney sakrosankt.

Ich bin ja gespannt, ob sie bei Disney clever genug sind zu merken, dass es beim \"Geheimnis von Hondurica\" auch um Religion geht.
Grunz!
Beppo

Ein Kojote ist und bleibt ein Hühnerdieb!

Coolwater

Zitat von: BeppoIch bin ja gespannt, ob sie bei Disney clever genug sind zu merken, dass es beim \"Geheimnis von Hondurica\" auch um Religion geht.

Oder im Walhallabericht. Germanische und römische Götter. Tot oder nicht tot, Religion ist Religion. Überhaupt: Gibt ja einige Leute, die den alten Götter Europas neues Leben einzuhauchen versuchen (\"Asatru\", \"Nova Roma\" ueswepunkt). Vielleicht sind die hochbeleidigt, wenn sie gewahr werden, daß Barks ihre Götter auf einem Wandelstern durchs All gondeln läßt. Ran, Disney, ran! Es gibt noch viel die Zense zu schwingen!

Coolwater

Weltuntergangsstimmung bei den Rosaisten. Die Don Rosa Library von Fantagraphics und vor allem die Ausgaben mit den zwei nun unter der Zense stehenden Geschichten sowie Ausgaben der Dagobertsaga sind gesucht wie nie. Unter Rosaisten gibt es Panikkäufe. Manche Bände scheinen über den ordentlichen Handel schon nicht mehr zu kriegen sein. Auf Ebay sind die Preise mancher Rosawerke nach oben geschossen. In der Don-Rosa-Gruppe fragen Mitglieder aus aller Welt verzweifelt nach bestimmten Bänden oder Schubern. Don Rosa bekräftigt indes, es handle sich nicht um ein auf die USA beschränktes Verbot, wie einige glaubten. Die Mitteilung, daß seine Geschichten nicht mehr gedruckt würden, habe er von einem Mitarbeiter eines Verlags außerhalb der USA erhalten. Das Verbot gelte weltweit.

Pankranz Piepenström

Mir kreist der Hut und mein Gehirn käst. So wirklich nachvollziehen kann ich trotz größter Anstrengung nicht, was Rosa uns mitgeteilt hat:
In meiner Ausgabe von \"The Life and Times of Scrooge McDuck\" nämlich ist \"The Richest Duck in the World\" das Schlusskapitel, mithin das zwölfte, und darin kommt Bombie gar nicht vor.
Kapitel 11 (mit Bombie) heißt \"The Empire-Builder from Calisota\". Und das wird ja laut Rosa gar nicht zensiert. :S
(Inducks bringt die Stories allerdings auch durcheinander...)

Coolwater

Rosa selbst hatte zunächst auch keine Erklärung, warum, wie er glaubte, der zwölfte Teil seines Dagobertromans verboten ist.

Als des Rätsels Lösung entpuppte sich rasch: Verlage in Europa hatten, was Rosa als englischen Titel dem zwölften Teil gab, in ihren Länderausgaben als Titel dem elften Teil übergehängt.

Mittlerweile steht fest oder ist einhellige Meinung: Es ist das elfte Kapitel, über das der Bann gesprochen ist, und der Grund ist Bombie.

Coolwater

Don Rosa ruft seine Anhänger auf, nicht in Panik zu verfallen und auch mit dem Senden von Bittschriften an Disney noch einige Tage lang zu warten. Seine Quelle habe ihm mitgeteilt, man sei dabei, die Angelegenheit mit Disney zu erörtern.

Rosa hofft darauf, daß sich die vernünftigeren Geister durchsetzen werden. In den Abteilungen bei Disney wechselten die Leute oft, es gebe dort vernünftigere und unvernünftigere Leute, und gewiß befürworte auch bei Disney nicht jeder diese Art von Verbot.

Theodora Tuschel

Das wird schneller in den Medien sein als es Disney lieb ist. In der dänischen und norwegischen Presse ist es schon: https://www.bt.dk/samfund/raser-over-disney-det-er-rendyrket-censur-som-i-totalitaere-stater.