Schwierige Frage: politisch korrekte Zensur

Begonnen von Theodora Tuschel, 26. Feb. 2020, 19:47:56

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Theodora Tuschel

Im aktuellen Heft von NAFS(k)uriren, der Zeitschrift der schwedischen Donaldisten, wird über neue Barks-Klassik-Ausgaben berichtet. Leider sind meine schwedischen Sprachkenntnisse marginal. Was mir auffiel, war dieses Bild als Beispiel für politisch korrekte Zensur in modernen Zeiten:



Die Bildunterschrift lautet übersetzt: Ein Panel, das redigiert wurde, damit die Geschichte über das verschwundene Erbstück [\"Die Jagd nach der Brosche\"] in \"Kalle Anka Extra\" 4/2019 veröffentlicht werden konnte.

Ein ganz schwieriges Thema, zu dem ich selbst keine endgültige Meinung habe, weil ich die Argumente dafür wie auch dagegen akzeptiere und wichtig finde. Dafür: Rassistische Klischees (hier das extrem breitlippige, kraushaarige hässliche \"Negerweib\") werden nicht aussterben, so lange sie immer weiter reproduziert werden. Dagegen: Barks ist historische Literatur und darf nicht modisch zensiert werden. Man kann natürlich viel mehr dazu sagen.

Eher ulkig ist die eurozentrische Vermischung verschiedener Klischees in der Darstellung der Frau: afrikanische Züge, Südsee-Baströcken, europäischer BH. Die weibliche Brust ist in den wenigsten Kulturen ein Sexualsymbol. Die Brust ist für die Kinder da, für den Mann ist eher der Hintern wichtig. Aber Barks konnte 1950 wohl nicht anders, als diese Frau mit BH zu zeichnen.

Hr.Zeilinger

Ob das politisch korrekt ist?

Schließlich ist der eine Kopf nun durch einen anderen Kopf ersetzt worden.

Es ist ein native American. Der noch nie mit den Weißen gesehen hat. Donald ist weiß. Klar. Die Federn sind weiß.



aus: Die Macht der Töne FC263.

Coolwater

Zitat von: \"Theodora Tuschel\"Die Brust ist für die Kinder da, für den Mann ist eher der Hintern wichtig. Aber Barks konnte 1950 wohl nicht anders, als diese Frau mit BH zu zeichnen.

Der Zirkus zieht durch Entenhausen, und da herrschen nordamerikanische Sitten. Die Zirkusangehörige kann in Entenhausen schlecht mit unbedeckten Brüsten im Freien herumlaufen, selbst wenn das in ihrer Heimatkultur üblich sein sollte.

Ob die Frau unmittelbar aus einer (afrikanischen) Kultur stammt, in der Frauen die Brüste nicht verdecken, ist aber sowieso fraglich. Ist es nicht wahrscheinlicher, daß es sich um eine \"Afroamerikanerin\" handelt, die sich für ihre Tätigkeit im Zirkus \"exotisch\" herausputzt? Nicht ohne geistigen Gewinn studierte ich auf westlichen Universitäten. Gar manches lernte ich dort, was des Wissens nicht wert ist, jedoch auch, daß afrikanischstämmige Amerikanerinnen auch in unserer Welt um 1950 nicht mit blanken Brüsten in der Öffentlichkeit herumzulaufen pflegten.

Ohne Hose, ja, das ist was anderes in Entenhausen ...

Hr.Zeilinger

Zitat von: Coolwaterund da herrschen nordamerikanische Sitten.
Die Zirkusangehörige kann in Entenhausen schlecht mit unbedeckten Brüsten im Freien herumlaufen, selbst wenn das in ihrer Heimatkultur üblich sein sollte.

Ohne Hose, ja, das ist was anderes in Entenhausen ...

Es herrschen entenhausener Sitten.

Was Barks gesehen hat, das hat er vermutlich aufgrund so mancher nordamerikanischer Sitte verändert abgebildet.

Coolwater

Entenhausener Sitten sind nordamerikanische Sitten, denn Entenhausen liegt in Nordamerika. Das wird in Der goldene Helm deutlich genug festgestellt.

Beppo

Das ist ein Thema, das auch anderswo diskutiert wird:

https://www.sueddeutsche.de/politik/wittenberg-judensau-urteil-kommentar-1.4783930

Wir sollten die Vergangenheit nicht klandestin wegzensieren wie der Stalin den Trotzki oder wie unsere übereifrigen Datenschützer*Innen Teile der MifüMi. Ein kleiner Kommentarkasten neben dem Impressum des jeweiligen Comichefts oder -buchs wäre aber ganz vernünftig.
Grunz!
Beppo

Ein Kojote ist und bleibt ein Hühnerdieb!

Ostsibirischer Korjakenknacker

Zitat von: \"Theodora Tuschel\"Die Brust ist für die Kinder da, für den Mann ist eher der Hintern wichtig.

ECHT JETZT? Oje. Naja, wenn das die derzeit erwünschte politisch korrekte Sichtweise der Anatomie ist, muss man sich eben umstellen. *seufz*
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Frieden für die Ukraine!

Grkztrrrschwrzkajaaaa!

Hr.Zeilinger

Zitat von: BeppoDas ist ein Thema,

Capistran-Kanzel
Capistrano: Populist im 15. Jhdt. unserer Zeitrechnung.

Zensiert im 20 Jhdt.

Coolwater

Zitat von: \"Ostsibirischer Korjakenknacker\"ECHT JETZT? Oje. Naja, wenn das die derzeit erwünschte politisch korrekte Sichtweise der Anatomie ist, muss man sich eben umstellen. *seufz*

Siehe auch hier: https://www.suhrkamp.de/buecher/der_mythos_vom_zivilisationsprozess-hans_peter_duerr_40855.html Der ist mitunter amüsant zu lesen und oft alles andere als politisch korrekt.

Ostsibirischer Korjakenknacker

Muss ich gleich für unsere Fak.-Bibliothek bestellen ...
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Frieden für die Ukraine!

Grkztrrrschwrzkajaaaa!

Beppo

> Muss ich gleich für unsere Fak.-Bibliothek bestellen ...

Hast du das Hohelied schon durch? Das musst du natürlich zuerst studieren.

\"Deine zwei Brüste sind wie zwei junge Rehzwillinge, die unter den Rosen weiden.\" Ob die Kinder das wirklich so sehen?
Grunz!
Beppo

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Theodora Tuschel

Eigentlich dachte ich, es ginge hier um rassistische Klischees und wie man damit umgeht. Aber die Herren Donaldisten scheinen nach wie vor nur Matsch im Kopf zu haben, sobald es um Titten geht. Eine Bemerkung am Rande, dass manches in anderen Kulturen anders ist, führt nicht nur zu entsetzten Reaktionen, sondern gleich zu absurden Schlüssen. Ts-ts! Immerhin ist Hrn. Zeilinger die ausgezeichnete Beobachtung zu verdanken, dass der Frau in der Zeichnung ganz oben ein anderer Barks-Kopf aufgesetzt worden ist. Hervorragende Quellenkenntnis, oder ein Zufallsfund? Jedenfalls eins rauf mit Mappe!

Hr.Zeilinger

Zitat von: \"Theodora Tuschel\"Hervorragende Quellenkenntnis,

Ich fühle mich geschmeichelt. Die Präsidente würdigt meine Duck-Kenntnisse. Das zählt für mich mehr als 1000nde Likes in Social Media.


Das TGDD 78, in dem der Bericht zu lesen ist, war mein erstes selbstgekauftes TGDD. Ich las den Bericht während einer Bahnfahrt und der Kauf war den Verzicht auf die Tafel Schokolade und das Süßgetränk durchaus wert.

Beppo

>  Immerhin ist Hrn. Zeilinger die ausgezeichnete Beobachtung zu verdanken, dass der Frau in der Zeichnung ganz oben ein anderer Barks-Kopf aufgesetzt worden ist.

Der neue Kopf passt aber überhaupt nicht zum Körper. Das tut weh beim Anschauen.

> rassistische Klischees

Natürlich sollte man das Barks-Originalbild nur mit Bedacht einsetzen. Zum Tagespanel am Welttag des klassischen Zirkus oder so wäre es nicht unbedingt geeignet.

Hardcore-Emanzen zerbrechen momentan wohl gerade alle ihre Placido-Domingo-CDs. (Vorsicht, Mädels, Verletzungsgefahr!) Aber das ist nicht die richtige Art mit der Vergangenheit umzugehen. Die Methode 1984 funktioniert nicht.
Grunz!
Beppo

Ein Kojote ist und bleibt ein Hühnerdieb!

Beppo

Könnte es eigentlich sein, dass das wilde Weib mit dem Büstenhalter nur eine weitere Verkleidung von Zippo ist? Kommt mir aber unwahrscheinlich vor. Selbst Zippo schafft so einen Ganzkörper-Blackfacing-Job nicht in ein paar Sekunden. Die Person of color ist schon echt. Solche Leute hat es ja früher beim Zirkus wirklich gegeben.

Auf jeden Fall haben für mich die indigenen Figuren bei Barks eher die sympathischen Rollen. Sie verteidigen ihre angeborenen Freiheiten gegen die anglosächsischen Wichtigtuer Donald und Dagobert. Und die politisch korrekten Zensoren sind nur Donald oder Dagobert auf der Metaebene. Silikon in den Möpsen ist erlaubt, aber die Lippen zu verbreitern ist verboten.
Grunz!
Beppo

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