Von der Fuchskrittelei zur Fuchsschelte

Begonnen von Coolwater, 10. Jul. 2023, 14:10:23

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Theodora Tuschel

Zitat von: BeppoWeißt du Näheres, Tuschelnde? Kamen welche der skandinavischen Übersetzerinnen auch aus dem Stall von Reader\'s Digest? Die Zeiten nach 1929 (Barks) bzw nach 1945 (Fuchs) waren ja recht aufgewühlt. Da musste mancher Hochqualifizierte (m/w/d) jobmäßig nehmen, was er kriegen konnte.

Das stimmt. Die Zeit zwischen 1945 und 1950 war überall in Europa schwierig, da ging es den meisten Leuten schlecht, und man tat, was man konnte, um über die Runden zu kommen. Allein die Bedeutung der Papierrationierung für den Zeitungs-, Buch- und Zeitschriftenmarkt haben wir Heutigen kaum parat.

Ansonsten: ich weiß nicht viel. Aber ich glaube (ohne vertieft geforscht zu haben), es lassen sich drei Gemeinsamkeiten unter den Übersetzer:innen in Deutschland, Dänemark, Schweden und Norwegen ausmachen: 1.) Da es sich bei der neuen Comic-Zeitschrift um eine Kinderzeitschrift handelte, wollte man als Redakteur bzw. Übersetzer am liebsten einen Pädagogen oder eine Pädagogin. 2.) Die Person sollte ungemein bürgerlich und seriös sein, um Vorurteile gegen Comics als Schmutz und Schund zu entkräften. 3.) Sprachkenntnisse und Übersetzungserfahrung waren weniger wichtig, denn es war ja nur ein Kinderzeitschrift, nicht für die Ewigkeit gedacht.

Das alles traf auf Erika Fuchs (1906-2005) zu. Sie übersetzte \"Micky Maus\" 1951 bis 1988. Sie war zwar keine Pädagogin, tat aber so (jedenfalls laut eigener Legende). Als \"Frau Dr.\" war sie der perfekte Seriositätsmarker. Sie hatte wenig Übersetzungserfahrung, aber die reichte für eine Kinderzeitschrift allemal.

Etwas anders Helene C. Kløvstad (1903-1998, Norwegen). Sie übersetzte \"Donald Duck & Co\" 1948 bis 1960. Sie war wirklich Pädagogin, Volksschullehrerin in Oslo und Herausgeberin von Kinderbüchern. So seriös, dass die Zeitschrift damit werben konnte. Wo sie Englisch gelernt hat, weiß ich nicht.

Ähnlich Axel Norbeck (1891-1973, Schweden). Er übersetzte \"Kalle Anka & Co\" 1948 bis 1957. Auch ein Pädagoge und Bibliothekar mit Schwerpunkt Kinder- und Jugendbuchliteratur. Die Zeitschrift warb mit ihm als \"dem bekannten Pädagogen\", der für \"wirklich gute Literatur und Unterhaltung\" garantierte. Über seine Englischkenntnisse weiß ich nichts.

Anders wieder Sonja Rindom (1904-2004, Dänemark). Sie übersetzte \"Anders And & Co.\" von 1949 bis 1982. Sie bekam keine Universitätsausbildung, war jahrelang als Au-pair-Mädchen im Ausland, hat gut Englisch und Französisch gelernt, später in DK in Bürojobs gearbeitet, u.a. bei Gutenberghus, und ist durch Vermittlung eines Bekannten für die neue Zeitschrift als Übersetzerin eingesprungen, weil die ursprünglich eingestellte Frau krank geworden war. Einzige Frage zu ihrer Qualifikation (außer guten Englischkenntnissen) war (ebenfalls laut Eigenlegende): \"Magst du Kinder?\" Dass mit Rindom als Garantin für Seriosität geworben wurde, wüsste ich nicht.

Das sind nur ein paar Beispiele, aber eine Linie wird deutlich: Ausrichtung der Zeitschrift auf ein sehr junges Lesepublikum, seriöses Image, adressiert an Eltern und Erzieher (die bezahlen bzw. erlauben zu lesen), Inhalt und Sprache weniger wichtig. Die Geschichte hat gezeigt, dass auf lange Sicht genau das Gegenteil eingetroffen ist: Leser sind ältere Jahrgänge, Eltern und Erzieher spielen keine Rolle mehr, Inhalt und Sprache sind zum wichtigsten Kriterium geworden. Schon ulkig!

duck313fuchs

Deinen letzten Ausführungen über die Zusammenarbeit von Frau Dr. Fuchs und Kabatek fehlt nur, dass nach Auskunft von Kabatek Junior, sein Vater und Frau Dr. Fuchs viel Zeit miteinander verbrachten und hierbei gemeinsam an den Übersetzungen arbeiteten. Demnach war Kabatek wesentlich stärker im Fuchs-Text verankert, als Du vermutest. Nach seinem Vortrag hier im Erika Fuchs Haus haben wir Kabatek Junior gebeten, mehr über diese Zusammenarbeit herauszufinden. Kabatak Junior war damals zwar noch klein, spricht aber von vielen Besuchen von Frau Dr. Fuchs im Hause Kabatek und längeren Arbeitszusammenkünften.
Statt hier rumzuphilosophieren, was wäre wenn, sollten wir einfach die Texte so wie sie vorliegen erstmal Frau Dr. Fuchs zuschreiben und froh sein, dass wir ihre Texte haben.
Das letzendliche Ergenbnis Deiner Was-wäre-wenn-Grübelei ist eigentlich, dass ohne die vorliegenden Texte und die Arbeit von Frau Dr. Fuchs die D.O.N.A.L.D. nicht gegründet worden wäre und Du hier nichts zu philosophieren hättest.

Theodora Tuschel

Nein, nein, da greifst du zu weit, mein Lieber. Höre ich da ein gewisses Beleidigtsein heraus? Es gibt etwas durchaus Ehrenwertes und Interessantes namens Kontrafaktische Geschichte https://de.wikipedia.org/wiki/Kontrafaktische_Geschichte. Zu fragen, was geschehen wäre, wenn oder wenn nicht, ist völlig legitim. Das hat nichts mit einer Abwertung von Frau Dr. Fuchs zu tun und erst recht nicht mit einer Abwertung der D.O.N.A.L.D. Eher im Gegenteil, in beiden Fällen.

duck313fuchs

Durch coolwaters Gedankenspiele fühle ich mich absolut nicht beleidigt, ich sehe darin auch keine Abwertung von Frau Dr. Fuchs. Ich halte mich lieber an Fakten und versuche daraus, Schlußfolgerungen jeder Art zu ziehen, als eine Hypothese aus dem hohlen Bauch raus aufzustellen, daraus dann zu versuchen, Schlußfolgerungen zu ziehen, wobei klar ist, dass das alles auf Sand gebaut ist, da die Grundlagen der Hypothese nicht real sind.

McDuck

Wenn wir uns hier in den Äußeren Donaldismus hineinbewegen und über Übersetzer und Übersetzerinnen reden, erlaube ich mir an einer Stelle einzuhaken.

Zitat von: CoolwaterVon der Barksübersetzerei in, sagen wir, Finnland, Italien, Frankreich, Holland weiß ich nun null Komma gar nix. Aber daß ein Mensch über viele Jahrzehnte den ganzen Barks durchgeackert hat – das ist wohl die Ausnahme.

Zumindest über Italien kann ich ein bisschen was sagen. Die Barks-Übertragungen ins Italienische oblagen beim Erstabdruck zumeist Guido Martina. Zumeist will heißen, im Unterschied zu Fuchs sind in Italien nicht alle Barks-Übersetzungen zweifelsfrei zuordenbar, weil für das Topolino-Magazin (d.h. das Äquivalent zur Micky Maus) mehrere Übersetzer tätig waren. Dennoch war Guido Martina, der als einer der wenigen in der Redaktion Englisch konnte und bereits in den 1930ern für die Übersetzung amerikanischer Comics von Mondadori angeheuert wurde, derjenige, der das italienische Barks-Bild weitgehend prägte. Zu einem gewissen Grad vergleichbar mit Fuchs hat Guido Martina mit seiner unzweifelhaften sprachlichen Begabung das textliche Niveau der Barks-Berichte im Italienischen durchaus verbessert oder neue Namen etabliert (Archimede Pitagorico = Gyro Gearloose = Daniel Düsentrieb). Um ein weiteres Beispiel für den sprachlichen Stil zu geben, über das ich gestolpert bin: Professor Püstele heißt in Martinas Italienisch Sentimento Cuorcontento di Sacramento. Martina hat weiters bestimmte Barks-Berichte nach Italien übertragen (oder, wenn man es so will, italienische Ortsnamen nach Stella Antium verpflanzt). Die italienische Fassung von Terror auf dem Strom spielt nicht am Mississippi, sondern an Ticino, Etsch und Po, da fallen auch mal Worte wie Venedig oder Comersee.
Den Italienern war ihre Martina-Übersetzung, die mit größter Wahrscheinlichkeit Generationen geprägt hat, übrigens nicht so heilig wie uns der Fuchstext. In den 1990er-Jahren wurden die Berichte für die Publikation Zio Paperone neu (originalgetreu) übersetzt. Nunja. Interessanterweise haben sie aber auch in späteren Abdrucken ihre ikonischen Titel von Martina erhalten.

Um auf die Punkte von Fräulein Tuschel zurückzukommen: Zum Teil trifft das auf Martina meinem Dafürhalten nach auch zu. Martina (Spitzname \"il professore\") war ebenso eine seriöse Persönlichkeit, deren Standing sicher das anderer Verlagsmitarbneiter weit überstieg. Guido Martina war auch von Grund auf kein Comicbegeisteter, aber (manche werden\'s wissen) er arbeitete dann sein ganzes Leben in der Branche und schrieb eine Unmenge an eigenen Comics für das Topolino-Magazin.

Coolwater

Zitat von: McDuckDie italienische Fassung von Terror auf dem Strom spielt nicht am Mississippi, sondern an Ticino, Etsch und Po, da fallen auch mal Worte wie Venedig oder Comersee.

Der Ohio ist der Tessin, und der Mississippi ist der Po? Gibt Sinn. Wie hat Martina die Etsch in die Geschichte gebracht? An ihrem Unterlauf fließt sie und dann mündet sie nahe dem Po, doch sie betatscht den Po nicht (in unserer Welt).

Eigentümlich! Anders als in Italien und bei uns war die Verlegung Entenhausens auf unsere gute alte Erde in Dänemark über lange Jahre ein Gehtgarnicht. Jedenfalls les\' ich hier (übersetzt):

\"Viele Jahre lang waren die dänischen Redakteure sehr streng darauf bedacht, keine Namen zu verwenden, die mit aktuellen Orten in Verbindung gebracht werden könnten, so daß Sonja [Rindom] ihre kreativen Fähigkeiten gut nutzen konnte. Unter anderem verwandelte sie Australien in Kængunesien, als sie die Geschichte \'Adventure Down Under\' in \'Anders And in Kængunesien\' übersetzte. Eines der wenigen Male, bei denen ihr erlaubt wurde, einen bekannten Ort zu nutzen, war, als sie die Donald-Duck-Geschichte \'Luck of the North\' in \'Anders Duck in Grønland\' übersetzte – obwohl Grönland in der Originalgeschichte überhaupt nicht erwähnt wird.\"

Irgendwie dreht bei der Übersetzerei jedes Land sein eigenes Ding. Das muß sich in der Anfangszeit dort mal wer in den Kopf gesetzt haben, daß das ja nicht sein darf mit \"echten\" Orten, und alle haben sich dann daran gewöhnt und es als \"Gesetz\" verinnerlicht.

Kængunesien soll in der dänischen Ausgabe der CBC dann doch Australien gewichen sein, hab\' ich mal gelesen. Gäb\' bei uns einen Volksaufstand. \"Wenn Erika Fuchs Kängunesien schreibt, dann gibt es auch ein Kängunesien und kein Australien, basta!\"

Coolwater

Alexander Braun hat zwozweiundzwanzig eine fette Schwarte Horror im Comic veröffentlicht: https://www.avant-verlag.de/comics/horror-im-comic/ Das Inhaltsverzeichniskann man bei der DNB beglotzen: https://d-nb.info/1246968444/04 Ein Abschnitt heißt \"Zombies ... und andere Plagen\". Glücklicherweise zeigen die Vorschauseiten auf der Netzseite des Verlags den Beginn gerade dieses Abschnitts, und sieh da, der Mensch legt gleich mit unserm Barks los. Ob er den Zombiebericht dann noch weiter groß zersäbelt, weiß ich nicht. Weiß es wer anders hier?