Fuchs vs. R&P Chotjewitz

Begonnen von Rafa95, 10. Sep. 2022, 17:58:03

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Rafa95

@ Coolwater

Am schlimmsten finde ich bei der ganzen Geschichte, dass die Fuchs-Übersetzung von \"Lost in the Andes!\" schon existiert hat. Vielleicht hatte der Melzer Verlag keinen Zugriff auf die englische Urfassung ... würde zwar einmal mehr davon zeugen, dass die ganze Angelegenheit ohne jeglichen Enthusiasmus umgesetzt wurde, wäre aber eine Erklärung (?). Sie hätten es dann wohl lieber lassen sollen.

Zitat von: CoolwaterSeite vier ef vergleicht hier ein Gelehrter in Sachen Übersetzerei Barks, Chotjewitz und Fuchs (daß Chotjewitz mit Sicherheit nicht aus dem Urbarks übersetzt hat, kann der Mann der Wissenschaft nicht wissen)
Vielen Dank für das Dokument ... und genau das wäre mir beinahe auch passiert, wenn ich nicht hier im Forum nachgefragt hätte. ;) Ich hatte nämlich schon einige Passagen verglichen, und als ich rausfand, dass die Chotjewitz beide literaturtechnisch nicht ganz unbedarft waren, dachte ich, irgendwas kann da nicht stimmen.

@Theodora Tuschel

Das könnte ich gut gebrauchen, vielen Dank!!!

@Beppo

Ich betrachte die ganze Angelegenheit als gutes Beispiel, wie man es nicht machen soll B) Wenn ich nämlich in Zukunft als Übersetzer arbeite, dann bin ich wenigstens vor Verlagen wie Melzer auf der Hut. Vielleicht erspart mir das einiges an Lehrgeld als Berufsanfänger ....

Coolwater

Zitat von: BeppoEin bekannter Autor (von dem ich allerdings nie etwas gelesen habe, mea culpa) durfte seinen Namen für die Übersetzung hergeben [...].

Ob bei der Wahl des Übersetzers eine unterstellte Zugkraft seines Namens eine Rolle spielte? Mit dem Namen Peter O. Chotjewitz wird ja nicht großartig für diese Bände die Trommel gerührt, etwa indem er auf den Buchdeckeln erschiene (wie man\'s bei berühmten Übersetzern von Rowohlt bis Fuchs gern tut). Wer den Namen des Übersetzers erfahren will, muß ins Impressum gucken – aber wie viele Vielleichtkäufer von Ich, Donald Duck und Co., die sich die Bände besahen, taten\'s? Mit dem Namen hätten viele Vielleichtkäufer eh nichts anfangen können, die Kinder, die\'s vor allem lesen sollten, erst recht nicht.

Vielleicht fand\'s der Chotjewitz – der mit seinen Italokonnäckschns wohl mit dafür gesorgt hatte, die Dinger für Melzer an Land zu ziehen - einfach reizvoll, \"auch mal so was\" zu übersetzen. Das ist wie beim Lateinprofessor, der mal Kikero und Kaißar gute Männer sein läßt, sein Gehirn ausswitscht und sich mit einer Dose Bier in der Hand eine Monstertruck-Show anschaut. Das Ergebnis der Melzer-Übersetzungen sieht auch nach der Monstertruck-Schlacht des Jahrhunderts aus. Daß sich mit dem versteckt im Impressum gedruckten Namen Peter O. Chotjewitz alle Welt auf die Dinger stürzt, wird er selbst nicht geglaubt haben.

Coolwater

Zitat von: Rafa95Vielleicht hatte der Melzer Verlag keinen Zugriff auf die englische Urfassung ...

Davon kann man stark ausgehen. Heute findet man ohne viel Suchens vollständige Urbarkse im Netz, und wenn die nicht, findet man zig Übersichten und Aufstellungen, wann und wo welcher Barks gedruckt wurde, und man findet zig Läden und Plattformen, Barkse zu kaufen.

Demgegenüber die frühen Siebziger: kein Weltnetz, keine organisierte Fänszene, kein gar nichts. Nach dem Erstdruck 1949 ist der Andenbericht in Amien vielleicht noch ein- oder zweimal nachgedruckt worden, aber für Leute wie Melzer und Chotjewitz, die zu Barks gekommen sind wie die Jungfrau zum Kinde, ist es so gut wie unmöglich, zu wissen oder herauszubekommen, wann und wo.

Nun war wohl selbst Melzer und Chotjewitz klar, daß die \"Geschichten\" in Io, Paperino und so weiter keine italienischen Urerzeugnisse waren, sondern Übersetzungen aus dem Amischen. Geboten wäre somit gewesen, den Verlag Mondadori in Mailand, der die italienischen Urausgaben dieser Bücher besorgte, mit dem Lizenzvertrag für deutsche Ausgaben zugleich um Ablichtungen der amischen Urbarkse zu ersuchen. Aber: Das wäre ein deutliches Mehr an Aufwand und Kosten gewesen. Und ob Mondadori selbst zu dieser Zeit die Urtexte aller amischen Disney-Comics griffbereit verwahrte, will ich bezweifeln. Die Barkse in diesen Büchern waren in Italien großteils oder sämtlich bereits viele Jahre vorher erschienen, und nach Anfertigung einer Übersetzung hat man es dort nicht unbedingt zwingend für nötig gehalten, die Urtexte abrufbereit zu \"verwahren\", Mondadori war kein Wissenschaftsarchiv.

Wie auch immer, Melzer und Chotjewitz werden sich gesagt haben, daß eine Übersetzung aus dem unmittelbar greifbaren Italienischen das einfachste und schnellste ist und \"schon paßt\". Was zeigt, daß sie den Barksstoff, obgleich sie wohl dessen Güte erkannten, als Kunst und Schrifttum hohen Ranges trotzdem nicht für voll nahmen, denn dann hätte sich diese \"Abkürzung\" verboten. Mag man darob den Stab über sie brechen? In jenen Tagen standen sie damit nicht allein da.